Heute nehme ich dich zusätzlicher hinein in das Thema „Achtsamkeit“ und in ein paar Beispiele, wie ich Achtsamkeit in meinen Alltag einbinde.
Achtsamkeit hilft mir immer wieder in die Verbindung mit mir selbst zu kommen, zur Ruhe zu kommen und mein Leben bewusst zu leben.
Heute ist ein Tag, an dem mir das nicht leicht fällt. Und gerade deshalb ist es wertvoll für mich, darauf zu achten.
Seit einigen Wochen klingelt mein Wecker unter der Woche (meistens) kurz vor halb sechs. Ich treffe mich morgens online mit anderen Frauen zum Beten. Jede für sich allein und doch in Gemeinschaft. Die anderen Frauen treffen sich schon länger zu diesem Morgengebet. Für mich war das durch meine Erkrankung lange Zeit undenkbar.
Zu Beginn gibt es oft ein gemeinsames Gebet. Dafür bin ich heute aber zu spät dran. Die Kameras der anderen sind schon aus. Also starte meine Gebetszeit allein.
Danach nehme ich mir Zeit zum Bibel lesen und zum Beten. Heute bin ich oft abgelenkt. Durch viele Gedanken und Müdigkeit und einer Unruhe in mir. Ich übe mich darin das anzunehmen, dass das heute so ist.
Am Ende machen wir eigentlich alle nochmal unseren Bildschirm an und tauschen uns kurz aus über das, was wir gelesen und gebetet haben und beten noch gemeinsam. Heute höre ich aber, dass ich schon gebraucht werde und gehe ins Esszimmer, wo der Rest der Familie schon alle sind.
Meine Tochter sieht nicht gut aus und erzählt mir auch sofort, dass es ihr nicht gut geht. Gestern war sie nach mehreren krank-Tagen endlich wieder in der Schule. Heute fühlt sie sich schon wieder schlapp und schwach.
In meinem Kopf sind mehrere Gedanken gleichzeitig: Ich habe keine Lust mehr auf Infekte im Haus, heute Nachmittag hat sie einen Kieferorthopädie Termin und eigentlich haben wir den Bus-Streik-Fahrdienst heute Mittag übernommen. Ich merke, wie ich genervt werde und genau so reagiere und atme erstmal durch. Mein Kind kann nichts dafür und krank ist krank.
Der Morgen bleibt chaotisch. Der Älteste muss wegen einem Schulausflug früher aus dem Haus, wegen dem Busstreik fährt ihn mein Mann. Die Vesperdose bleibt vergessen auf dem Tisch liegen. Ich melde meine Tochter in der Schule krank und schreibe WhatsApp Nachrichten an die Fahrgemeinschaften. Der Jüngste hat viel zu erzählen und braucht noch Materialien und eine Tüte für sein Schul-Bastelprojekt. Und verlässt trotzdem pünktlich das Haus. Meine Tochter legt sich mit Hörspiel aufs Sofa.
Und ich bleibe am chaotischen Frühstückstisch zurück und merke, dass es in mir ähnlich unruhig ist wie im Außen.
Ich richte mir mein Müsli und mache mir einen Kaffee. Und nehme mir nochmal einen Moment Achtsamkeit, um irgendwo die Ruhe wieder zu finden.
Ich nehme meine Tasse in die Hände und schließe meine Augen. Ich fühle die Wärme der Tasse und atme tief ein und aus. Ich rieche den Duft des Kaffee und nehme langsam den ersten Schluck. Und merke, die Ruhe ist da.
(Und siehst du das Herz auf meinem Kaffee? Ich nehme diese zufälligen Herzen im Alltag immer als kleine Liebeszeichen Gottes an mich.)

Danach nehme ich mir Zeit in Ruhe zu frühstücken, bevor ich den Tisch abräume und nochmal nach meiner Tochter schaue.
Und ich setze mich einen Moment an meinen Laptop, um E-Mails zu beantworten und die Mittwochs-Frage in der Begleit-Gruppe meines „Herzenszeit“-Kurses zu stellen. Immer Mittwochs lade ich dazu ein, dass mir die Frauen erzählen, wo sie im Kurs stehen, was sie gerade beschäftigt und ob es Fragen gibt.
Heute Vormittag habe ich einen Physiotherapie Termin. Meine Tochter ist einverstanden, dass sie so lange alleine zuhause bleibt. Ein Vorteil, wenn die Kinder schon größer sind.
Ich gehe die kurze Strecke zu Fuß, achte beim Gehen auf meinen Körper und danke Gott dafür, dass ich in der Lage bin so viele Schritte zu gehen. Ich will nicht vergessen, dass das nicht selbstverständlich ist.
Heute gibt es eine Mischung aus Matten-Training, manuelle Therapie und Sauerstofftherapie. Ich merke wie gut es mir gut, dass ich etwas für mich mache und dass jemand für mich sorgt.
Mir wird für die Sauerstofftherapie ein Wärmekissen in den Nacken und eine Decke über die Beine gelegt und ich darf mich einfach zurücklehnen. Was für ein Geschenk.
Beim Aufstehen fällt mir meine Brille, die neben mir lag auf den Boden. Ein Stück des Plastikrahmens zerbricht. Kurz steigt Ärger in mir hoch. Dann muss ich über mich selbst lachen. Seit Monaten will ich bei meinem Optiker anrufen, weil meine Augen schlechter wurden und ich eine neue Brille brauche. Aber immer wieder habe ich es vor mir her geschoben. Jetzt sagt meine Brille mir ganz klar: „Ruf an und mach einen Termin aus.“ Also gut.
Zuhause darf ich dann wieder für mein krankes Kind sorgen. Sie wünscht sich ein zweites Frühstück und wir sitzen ein Weilchen zusammen, bevor sie sich wieder ins Bett legt.
Und ich klebe meine Brille und rufe beim Optiker an. Endlich.
Danach nehme ich mir Zeit zum Duschen und nutze das noch einmal für einen Achtsamkeits-Moment. Ich konzentriere mich auf meine Sinne. Auf den Duft der Seife, auf das Rauschen des Wassers, auf die Wärme auf der Haut. Das hilft mir im Hier und Jetzt zu bleiben und bei mir.
Was ich aber auch wahrnehme ist, dass auch ich mittlerweile schlapp und müde bin. Und ich befürchte, dass der Infekt so langsam auch bei mir ankommt. Und habe darauf gar keine Lust.
Ich bin dankbar, dass im Kühlschrank noch Mittagessens-Reste stehen und mache nur einen Salat und einen Teller mit Rohkost.
Etwas in mir wehrt sich gegen die Müdigkeit und die Schlappheit die ich spüre. Trotzdem gehe ich ins Bett, nachdem ich mit den Kindern gegessen habe und schlafe eine Runde.
Ich werde von meinem Jüngsten mit einer Kaffee-Einladung in sein Kinderzimmer geweckt. Und werde dort mit unsichtbaren Pfannkuchen, Holz-Obst und Holzpizza, imaginärem Orangensaft und echtem Kaffee verwöhnt.
Der Nachmittag ist gefüllt mit Hausaufgaben, Wäsche zusammenlegen und krankem Kind. Und mit einer immer stärker werdenden Schlappheit und einem immer größer werdenden unguten Gefühl in mir, dass ich nicht direkt greifen kann. Aber nach und nach merke ich, wie eine Angst in mir aufsteigt.
Das, was ich da in mir fühle ist eins der Hauptsymptome, die ich während meiner ME/CFS-Zeit hatte. Zwar nur leicht, aber es ist da. Mein Verstand sagt mir, dass das ganz normal ist für einen grippalen Infekt. Mein Herz sagt trotzdem was anderes. Diese lange Zeit mit heftiger Fatigue und immer wieder kommenden Crashs ist noch so tief in mir abgespeichert.
Eigentlich habe ich jetzt keine Lust mehr auf Achtsamkeit. Weil ich durch sie viel mehr spüre, wie es mir geht. Und gleichzeitig weiß ich wie wichtig es ist, meinem Herzen zuzuhören, es ernst zu nehmen und mit ihm zu reden.
Ich gehe eine Mini-Runde spazieren. Die Mini-Runde, die ich an meinen guten ME/CFS-Tagen gerade so geschafft habe. Und ich nehme ganz bewusst wahr, dass die paar Meter möglich sind. Gut möglich. Und ich rede mit meinem Herzen. Flüstere ihm zu: „Alles ist gut! Meine Zellen arbeiten wieder. Gott hat mich wirklich geheilt. Das hier ist nur ein Infekt.“
In mir wird es ein wenig ruhiger. Und ich beschließe meinem Körper heute Abend das zu geben was er braucht und mit den Kindern früh ins Bett zu gehen. (Also mit denen, die früh ins Bett gehen.)
Nach dem Abendessen lesen wir noch zusammen Schlunz. Und bei einem Satz im Buch finde ich mich heute sehr wieder: >“Okay“, sagte Mama. Sie atmete tief ein und wieder aus.< „Das könntest du sein“, sagt auch meine Tochter. Und wir lachen beide. Sie kennt mich gut.
Wie gut sie mich kennt merke ich, als wir wenig später zusammen im Bett liegen. „Mama, wenn man einen Infekt hat, ist es normal, dass man sich so schlapp fühlt. Das heißt nicht, dass deine Krankheit wieder kommt.“ Vielleicht sagt sie es nicht nur zu mir, sondern auch zu sich selbst. Denn mein langes krank-sein hat nicht nur in mir Spuren hinterlassen.
Wir beten noch miteinander und danach denke ich noch einmal an das, was heute wahr. Es gibt Tage, an denen fällt mir Achtsamkeit leichter als heute. Aber gerade an Tagen wie heute ist sie wichtig für mich. Sie bringt mich raus aus Gedanken und Sorgen. Sie bringt mich ins Hier und Jetzt. Sie bringt mich zur Ruhe und in die Verbindung mit mir selbst. Und das hilft mir immer wieder auch herausfordernde Tage gut zu leben.
Herzliche Grüße, Judith
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