Ein Tag mit Geschwisterstreit und Therapie-Terminen, mit Sonnenschein und Müdigkeit, mit Unterstützen beim Lernen für die Schule. Und mit Verbindungsmomenten.
Mein Tag beginnt müde. Sehr müde.
Wie gerne würde ich mal wieder aufwachen und mich ausgeschlafen und erholt fühlen. Aber dazu ist mein Körper im Moment nicht in der Lage.
Deshalb bin ich sehr dankbar, dass mein Mann schon wach ist und Frühstück richtet und Kinder weckt. Wie jeden Morgen seit meine Erkrankung so viel in unserem Alltag verändert hat.
Ich bewege mich leicht, dehne die schmerzenden Muskeln, versuche anzukommen in meinem Körper und meinem Tag.
Während ich im Bad bin, höre ich plötzlich lautes Geschrei. Ein Kind weint. Ein anders trampelt die Treppe hoch. Und ich seufze erst und atme dann tief ein und wieder aus. Geschwisterstreit am Morgen zu begleiten ist nicht unbedingt das, womit ich meinen Tag beginnen möchte. Aber das, was jetzt dran ist.
Ich nehme mir erst Zeit für das eine Kind, dann für das andere. Höre zu, halte die Wut und den Frust aus, nehme in den Arm.
Irgendwann haben sich alle beruhigt und sitzen am Frühstückstisch. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass nicht mehr viel Zeit ist, bevor alle das Haus verlassen müssen.
Plötzlich weint ein Kind laut. Sein Zahn tut schrecklich weh, nachdem er in einen Apfel gebissen hat.
Ich schaue mir den Zahn an und vermute, dass er der nächste Wackelzahn wird, nehme mein Kind in den Arm, tröste und halte es. Wir besprechen, dass er seiner Lehrerin sagen darf, wenn der Zahn nicht aufhört weh zu tun und danach ist er bereit zu gehen.
Nachdem alle das Haus verlassen haben atme ich erstmal tief durch. Der Morgen hat viel meiner wenigen Kraft gekostet.
Ich nehme mir Zeit für eine Dusche, spüre die Anspannung des Morgens, atme ein paar Mal tief ein und langsam wieder aus, komme an bei mir und so langsam komme ich auch an im Tag.
Danach mache ich mir ein Müsli und einen Kaffee und setze mich auf unseren Balkon in die Sonne.
Ich bin dankbar, dass ich Ruhe zu frühstücken kann, dankbar für die Sonne, dankbar für den Moment.
Ich lese noch in meinem Losungsbuch, werde einen Moment bewusst ruhig, atme, nehme mich wahr, bete und tanke so ein wenig neue Kraft.
“Verbindungsmoment” nenne ich diese Momente, die ich mir immer wieder über den Tag verteilt nehme.
Und ich mache meine “Guten-Morgen-Story” auf Insta, teile ein paar Gedanken, freue mich über Rückmeldungen, die ich bekomme.
Danach ist Zeit für meiner ersten Therapie-Termin.
Eigentlich ist es erst die Besprechung für eine neue Therapie, die ich vermutlich bald starten und ausprobieren kann.
Eine IHHT-Therapie, die helfen kann, dass neue Mitochondrien (die Kraftwerke unserer Zellen) im Körper gebildet werden.
Der Termin ist bei mir im Dorf, ich fahre die kurze Strecke mit dem Auto, es dauert nur eine halbe Stunde – und trotzdem ist die Erschöpfung danach groß und ich bin dankbar für meinen Liegestuhl im Garten.
Kurz danach klingelt das Telefon. Die Schul-Sekretärin ruft an und sagt, dass mein Schmerzen im Zahn hat und ob er nach Hause kommen kann.
Ich telefoniere mit meiner Mutter und mit der Zahnarzt Praxis. Beide haben Zeit und ich bin dankbar, dass so direkt nach dem Zahn geschaut werden kann. Ich hätte keine Kraft gehabt direkt nochmal loszufahren und mein Kind zum Zahnarzt zu begleiten.
Und ich bin dankbar, dass ich dadurch trotzdem ausruhen kann.
Uns etwas später bin ich dankbar, dass die Zahnärztin meinte, es sei alles in Ordnung und dass mein Kind sagt, es tut schon weniger weh.
Während ich die Salat-Zutaten für das Mittagessen scheide, spüre ich wie müde ich noch immer bin. Ich mache bewusst langsam, atme den Geruch der Petersilie ein, achte auf mich selbst.
Mach dem Mittagessen lege ich mich mit Kopfhörern aufs Sofa und schließe für eine zeitlang die Augen. Ich höre eine Meditation, die mir hilft zur Ruhe zu kommen. Und bleibe danach noch ein wenig liegen.
Am Nachmittag braucht ein Kind Hilfe beim Lernen für den Sachunterrichts-Test.
Danach und zwischendrin gibt es noch gefüllt 1000 Fragen und Infos und anderes von allen Kindern.
Immer wieder nehme ich mir Zeit für einen kurzer Verbindungsmoment. Trotzdem oder gerade deshalb.
Ankommen bei mir und im Moment. Atmen, ruhig werden, mich wahrnehmen, beten.
Ich durfte lernen, wie wichtig diese kleinen Momente für mich sind. Gerade dann, wenn viel los ist und wenig Kraft da ist. Seit ich so krank bin sind sie wichtiger denn je.
Später habe ich noch einen Termin bei der Physiotherapie.
Und halte auf dem Heimweg noch bei einem Erdbeer-Stand an.
Beim Abendessen merke ich, dass heute viel war. Zwei Termine außer Haus sind im Moment viel für mich. Eigentlich zu viel. Und das spüre ich jetzt sehr.
Später Abends habe ich noch einen kreativen Zoom-Termin -den Kreativ-Raum von Friederike– an dem ich gerne teilnehmen möchte. Gleichzeitig weiß ich nicht, ob meine Kraft dazu noch reicht.
Zuerst brauchen die Kinder mich noch. Danach kann ich einen Moment in mich hinein spüren, was mir heute Abend gut tut. Ich spüre vor allem Müdigkeit, weiß nicht so richtig, was mir gut tut. Kreativität klingt aber schön und ich beschließe dabei zu sein, so lange es mir gut tut.
Ich verlasse den Zoom-Raum früher als die anderen, saß viel einfach nur auf meinem Sofa und habe zugeguckt und dann etwas ganz anders gemacht, als eigentlich Thema war, freue mich jetzt aber genau darüber und mache mich dann früh auf den Weg ins Bett.
Im Bett nehme ich mir noch einmal Zeit, in mich hineinzuspüren. Mich zu verbinden mit mir. Wahrzunehmen was war und was ist. Heute war viel. Manches sehr anstrengend. Vieles sehr gut. Und einiges beides zugleich.
Jetzt, am Ende des Tages, darf ich all das loslassen. Beim Loslassen hilft mir, alles abzugeben in Gottes Hände.
Und dir sage ich Danke, dass du dich mit hast hinein nehmen lassen in meinen Tag. Ich freue mich, wenn du bald mal wieder hier vorbei schaust.
Herzliche Grüße, Judith
PS: Wenn du möchtest, schenke ich dir einen kleinen Verbindungsmoment als Hördatei. Klicke dazu einfach hier.
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